Als die weltweite Pandemie im vergangenen Jahr über uns hereinbrach, war uns nicht bewusst, dass viele grundlegende soziale Probleme an die Oberfläche gelangen würden. Die plötzliche Verknappung von Mehl, Brot und sogar Hefe in den Supermärkten machte den Kommunen klar, dass wir unsere städtische Lebensmittelpolitik, mit Schwerpunkt auf der Vermeidung von Lebensmittelverschwendung, überdenken und schnell handeln sollten.
Da ein Großteil der Lebensmittelversorgungsketten auf unbestimmte Zeit unterbrochen oder verlangsamt wurde, mussten die Städte einen Notfallplan ausarbeiten, wie sie einerseits die Versorgung ihrer Bürger mit Lebensmitteln sicherstellen und andererseits Bioabfälle effizient aufbereiten konnten. Smart Food Waste Management (intelligente Lebensmittelabfallbewirtschaftung) erschien als eine Lösung, um die Verschwendung zu verringern und einige wertvolle Ressourcen zu sparen, die bis dahin als reichlich vorhanden galten.
Herausforderungen der Bioabfallbewirtschaftung und bewährte Verfahren in den europäischen Ländern
Eines der Ziele für nachhaltige Entwicklung, nämlich die Beseitigung des Hungers, hat dazu geführt, dass die wirksame Verringerung der Lebensmittelverschwendung in den meisten europäischen Ländern zu einer der obersten Prioritäten geworden ist. Sehen wir uns ein paar Zahlen an. Mit einem Anteil von 34 % ist Bioabfall der größte einzelne Bestandteil der Siedlungsabfälle in der EU, und etwa 60 % davon sind Lebensmittelabfälle. Bioabfälle sind eine großartige Quelle für hochwertigen Dünger und Bodenverbesserungsstoffe sowie für Biogas, aber damit sie richtig verarbeitet werden können, müssen sie getrennt gesammelt werden, damit sie nicht durch Kunststoffe verunreinigt werden. Da die Kommunen bestrebt sind, sich im Bereich der Bioabfallbewirtschaftung zu verbessern, wird die Festlegung klarer Regeln für die Kennzeichnung von Produkten sowie die Einführung von Qualitätsstandards und Qualitätssicherungsverfahren für Bioabfall-Nebenprodukte auf EU-Ebene immer wichtiger.
Ein großartiges Beispiel dafür, wie Städte an der Umgestaltung des Lebensmittelsystems mitwirken können, ist das von der Europäischen Union finanzierte Projekt FOOD TRAILS, das darauf abzielt, den Weg vom Erzeuger zum Verbraucher (Farm to Fork) nachhaltig zu gestalten, Gemeinschaften zu stärken, eine abfallfreie Ressourcennutzung zu fördern, Verhaltensänderungen zu unterstützen und eine gesunde und sichere Ernährung der Menschen zu gewährleisten. Werfen wir nun einen Blick darauf, was einige der 11 an der Initiative beteiligten Städte unternommen haben, um die Umweltauswirkungen der Erzeugung, Verarbeitung und des Transports von Lebensmitteln zu verringern.
Erfolgreiche Reduzierung der Lebensmittelverschwendung in Milano
In der Hauptstadt der Lombardei zielte das Pilotprojekt des Amts für Lebensmittelpolitik in Milano auf Lebensmittelverschwendung und Nachhaltigkeit als zwei vorrangige Ziele ab. In ihrem Fall bedeutete Abfallmanagement ein Überdenken der Frage, warum überhaupt so viele Lebensmittel weggeworfen werden. Sie reduzierten erfolgreich Lebensmittelverschwendung in Schulkantinen, indem Sie morgens und nicht erst nach dem Mittagessen eine Portion Obst servieren. Während der Pandemie wurden 10 Zentren mit Nahrungsmittelhilfesystemen eingerichtet, über die im Laufe von 15 Wochen das Äquivalent von 1,6 Millionen Mahlzeiten verteilt werden konnte.
Fokus auf die menschliche Bildung in Bergamo
In der Stadt Bergamo erkannten die Kommunen die Bedeutung lokal gewachsener Zutaten und konzentrierten sich auf die Ernährungserziehung im Zusammenhang mit der Region. Durch die Einrichtung einer Takeaway-Plattform für lokale Restaurants wurde deren Engagement für die Vermeidung der Lebensmittelverschwendung deutlich. Während der Corona-Krise befand sich die Stadt in einer Notsituation, die sie dank der Solidarität anderer italienischer Städte, die ihr bei der Verteilung von 40'000 Lebensmittelpaketen halfen, überwinden konnte.
Bordeaux verkürzte und verstärkte Lebensmittelversorgungsketten
In Frankreich richtete Bordeaux einen eigenen Ernährungsrat ein, der sich vier Schwerpunktthemen widmet, die während der COVID-Pandemie stärker in den Vordergrund gerückt wurden: Lebensmittelauswahl, Bekämpfung von Lebensmittelverschwendung, Verbesserung der lokalen landwirtschaftlichen Kapazitäten und Verkürzung und Stärkung der Lebensmittelversorgungsketten. Die politischen Entscheidungsträger beschäftigten sich außerdem mit der Verteilung von Nahrungsmitteln an gefährdete Bevölkerungsgruppen. Obschon die Pandemie eine große Herausforderung darstellte, konnten die Kommunalbehörden dadurch ihre Schwächen erkennen und sich besser auf künftige Krisenfälle vorbereiten.
Grenoble hat die Bedeutung der lokalen Märkte erkannt
Die besondere geografische Lage von Grenoble erforderte während der Pandemie eine besondere Ernährungspolitik. Sie erkannten die Bedeutung der lokalen Märkte und führten daher rasch strenge Hygienemaßnahmen ein und erlaubten den lokalen Bauern, ihre Produkte weiterhin zu verkaufen. Eine weitere Möglichkeit zur Durchsetzung lokaler Lebensmittelversorgungsketten bestand darin, Essensgutscheine mit Familienleistungen zu koppeln.
Aufklärung zur Abfalltrennung
Auch wenn der Anteil der gesammelten und kompostierten Siedlungsabfälle in den letzten Jahren zugenommen hat, landet immer noch eine große Menge an Lebensmittelabfällen im gemischten Abfall, selbst in Ländern, die gute Systeme zur getrennten Abfallsammlung eingeführt haben. Dies zeigt, dass wir uns bemühen müssen, das Bewusstsein für die getrennte Abfallsammlung in den Städten zu schärfen, die Haushalte über die Vorteile der Kompostierung zu informieren und klare Ziele für die Zukunft der Bioabfallbewirtschaftung zu setzen.
Was können wir also aus diesen Beispielen lernen? Erstens ist die Gründung einer Organisation oder Initiative, die sich der Reduzierung von Lebensmittelverschwendung widmet, sicherlich ein guter Weg. Sie bieten die notwendige Struktur und schaffen darüber hinaus neue Arbeitsplätze im Zusammenhang mit der städtischen Lebensmittelpolitik. Zweitens war es im letzten Jahr von entscheidender Bedeutung, sich auf lokale Lebensmittelhersteller und Restaurants zu verlassen. Für die Umsetzung des Konzepts „vom Erzeuger zum Verbraucher“ (Farm to Fork) bei gleichzeitiger Einhaltung der geltenden Sicherheitsmaßnahmen hat sich die Schaffung von Takeaway-Plattformen als eine gute Lösung erwiesen. Die Solidarität und Zusammenarbeit zwischen den Städten und die Beteiligung aller an der Lebensmittelversorgungskette beteiligten Parteien ermöglichten es schließlich, Bioabfälle zu vermeiden und diese nachhaltig zu bewirtschaften.
Quelle: How four EU food cities dealt with the coronavirus pandemic https://eurocities.eu/latest/how-four-eu-food-cities-dealt-with-the-coronavirus-pandemic/